AK39
SELBSTBEWUSST IM STADTRAUM
MARKANTES STADTWOHNHAUS MIT INNOVATIVER CARBONBETON-SYSTEMWAND IN LEIPZIG-REUDNITZ
FERTIGSTELLUNG: 2019
LEISTUNGSPHASEN: 1–9
Das Grundstück liegt etwa 2 km in östlicher Richtung vom Zentrum Leipzigs entfernt im Stadtteil Reudnitz. Im 17. Jahrhundert siedelten sich dort Handwerker an, später kamen Sommersitze und Vergnügungsstätten hinzu. Die Bevölkerungsexpansion vollzog sich von 400 Einwohnern einer Siedlung im Jahr 1822 auf 40.000 im Jahr 1900, inzwischen war die Stadt vollständig mit Reudnitz zusammengewachsen. Zu dieser Zeit entstanden neben Wohnquartieren der Gründerzeit auch große Fabrikstandorte im Osten von Leipzig, im Zweiten Weltkrieg wurden dann große Teile der Stadtquartiere zerstört.
Das Gebäude stellt ein Reihenendhaus nach Bebauungsplan dar. Dabei grenzt die Nordwand an das Nachbargebäude, die Ost-, Süd- und Westfassade bleiben dagegen unbebaut – energetisch ist diese Situation ideal. Das Grundstück wird von dem Baukörper an der Westseite begrenzt. Dies schafft einen großen Freiraum im Osten, wo der Garten angeordnet ist. Dieser kann durch eine Zufahrt auf der Südseite erreicht werden. Von dem 445 qm großen Grundstück öffnet sich ab dem Obergeschoss der Blick Richtung Ost und im Süden in den Park am Täubchenweg, vom Dachgeschoss sogar der weite Blick bis zum Stadtzentrum.
Der dreigeschossige Kubus ordnet sich im Bereich der Straße (Westseite) sowie im Süden an der Baulinie an, um die geschlossene Bauweise der Gebäudereihe abzuschließen. Auf der Ostfassade bleibt er leicht hinter der Baugrenze zurück. Die Nordseite weist im Gegensatz zu allen anderen Fassaden keine Fensteröffnungen auf, da diese Seite für einen Anbau eines Nachbargebäudes vorgesehen ist und als Brandwand ausgeführt wurde. Die Fensterflächen werden durchgängig als Fensterbänder ausgeführt, um möglichst viel Tageslicht in die Räume zu lenken. Die Bänder werden im Erdgeschoss nahezu geschosshoch ausgeführt, da diese Räume größtenteils halböffentlich sind. In den Obergeschossen werden die Privaträume angeordnet, daher reduzieren sich die Höhen der Fensterbänder je Geschoss. Grund dafür ist die Balance zwischen der Wahrung der Privatsphäre als auch der bestmöglichen Nutzung des Tageslichtes. Im Erdgeschoss sind die Räume sehr tief und verfügen nicht über zusätzliche Oberlichter, daher müssen die Fensterbänder möglichst hoch ausgeführt werden. Im Ober- und Dachgeschoss sind die Räume weniger tief und haben Oberlichter, daher kann die Höhe der Fenster reduziert werden, um einen guten Tageslichtquotienten zu erreichen. Somit können auch in den Obergeschossen sowohl viel Tageslicht als auch die benötigte Privatsphäre gewährleistet werden.
Die Nutzungsgliederung erfolgt von der Straßenseite (West) zur Gartenfassade (Ost). Auf der Straßenseite sind dabei alle Funktionsräume wie Hausanschlussraum, Garage und alle Sanitärräume angeordnet. Auf der Gartenseite finden sich alle Wohnräume wie Arbeitsraum, Wohnzimmer mit offener Küche sowie die Kinderzimmer. Beide Bereiche werden durch einen Erschließungsflur mittig geteilt, in diesem Bereich befindet sich an der Südseite die Hauseingangstür. Die Räume im Obergeschoss und Dachgeschoss sind alle umnutzbar angelegt. So können Schlafzimmer, beide Kinderzimmer, Arbeitszimmer und Fitnesszimmer im Lebenszyklus geändert werden.
Das Tragwerk besteht aus einer Stahlbeton-/ Carbonbeton-Hybridbauweise, welche als Halbfertigteile, also im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle um einen Ortbetonkern ergänzt, ausgeführt worden. Im Inneren sind Stahlbeton-Doppelwände mit Ortbetonkern sowie Filigrandecken als Halbfertigteile zum Einsatz
gekommen. Diese Hybridbauweise wurde erstmals automatisiert gefertigt, für diese Bauweise erhält die Fassade eine ‚Zustimmung im Einzelfall (ZiE)‘. Die gesamte Gebäudehülle besteht aus 81 Fertigteilen. Diese überspielen die Geschossigkeit, was zur optischen Auflösung der klassischen Fertigteilbauweise führt. Die Wirkung wird noch von der gewählten Farbe der Außenschale verstärkt, da so die dunklen Schattenfugen in den Hintergrund treten. Die Außenplatte der Fassade ist als anthrazitfarbene Carbonbetonplatte ausgeführt. Damit kann ein hoher Absorptionsgrad erreicht werden, der durch eine rasche Erwärmung der Flächen am Morgen, die zusammenhängenden Zeiten mit zu hoher Luftfeuchtigkeit senkt, welche zu Algen- und Pilzbildung auf der Fassade führen können. Somit kann auch diese hochgedämmte Bauweise Bedingungen realisieren, die ähnlich der einer Altbaufassade ausfallen, ohne Pestizide einsetzen zu müssen. Dies ist mit den herkömmlich verwendeten WDVS-Systemen nicht möglich.
Das Gebäude wurde als KfW-Effizienzhaus 55 ausgeführt, dabei wird der Primärenergiebedarf auf 55 % und der Transmissionswärmeverlust der Gebäudehülle auf 70 % im Vergleich zur Referenzgebäudeausführung gesenkt. Der Wärmedurchgangskoeffizient der Fassade beträgt 0,21 W/(m²K), damit wird ein jährlicher Heizenergieverbrauch von 26 kWh/(m²a) erreicht. Dieser kann mittels dreier Tiefengeothermie-Bohrungen und einer hocheffizienten Wärmepumpe abgedeckt werden.
Die vollflächig im Gebäude verlegte Fußbodenheizung ermöglicht sehr geringe Vorlauftemperaturen und senkt damit den Temperaturhub ab, um eine bessere Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe zu erreichen, was wiederum zur Senkung der Stromkosten führt. Zudem ist eine Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung verbaut, welche die Raumluftqualität anhebt und die Energieverbrauchskosten stark reduziert.